Bangor 1997-98

Vera Trobisch

Aller Anfang ist schwer …

Mainers im Regen.

"Leafpeeping"

Herbstgäste

Seltsame Geräusche

Camp am See (Ferienhaus)

Phantomtheater

Tiffany und Chinatown

Kabelbahn

Einkaufen

Stadtrundfahrt

Schnee in Belfast

Ice storm

Große und kleine Tiere

4. Juli, Independence Day.

Nova Scotia


Aller Anfang ist schwer …

... es wird langsam Zeit, einige Anmerkungen zu unserem neuen Zuhause zu schicken. Das ist es in der Tat schon. Am Anfang habe ich mich nachts gefürchtet im neuen, alten Haus. Drei Eingänge mit eigenartigen Schlössern, seltsame Geräusche, und geschädigtes Nervenkostüm durch die letzten Wochen. Der Abschied fiel schwerer als erwartet und äußerte sich ganz einfach in körperlichem Unwohlsein. Schlimm war der Abreisetag, wo mir unsäglich schlecht war. Als ich im Flugzeug saß, war es dann besser. Drei Tage lang schlief ich 12 Stunden täglich. Jetzt hat sich vieles eingependelt. Die Türen haben einheitliche Schlösser, aber es sind immer noch drei. Plus Garage. Nach einigen Wochen, die wir campingmäßig ohne unsere Möbel wohnten, kennen wir natürlich auch brauchbare Plätze, wo man essen kann.

Es gibt einen Bagel shop in der Stadt unten. Bagel sind Brötchen ganz ähnlich, nur mit einem Loch in der Mitte. Die schmecken wirklich gut, alle Sorten. Mit Sesam, Kümmel, Blueberries, Vollkorn und Weizen.

Es gibt jeden Tag ein anderes besonderes Brot. Das heute war nicht nach unserem Geschmack, aber leider kann man Brot nicht umtauschen. Es ist ein koscherer Laden, das heißt, er hat auch koschere Hamburger. Nur schön ist der Laden leider nicht. Total versiffter Boden. Na ja, es hat trotzdem gut geschmeckt. Natürlich ist morgen geschlossen, ist ja Sabbat. Mittlerweile hatte ich beschlossen, nachts einmal einzubrechen und den Boden zu putzen, weil ich sonst immer mit nach oben verdrehten Augen mein "Knish" oder "Mandelbrot" essen muß. Da kommt unser Gastgeber vielleicht noch in den Ruf besonders fromme Gäste zu bedienen.

Da, man glaubt es nicht, jetzt ist der Boden geputzt, aber ich war´s nicht. Es gibt auch Suppe oder eher Eintopf: Linsen, Mais mit Kartoffeln und Milch (schmeckt sehr gut), und andere jüdische Spezialitäten. Wir haben schon fast alles getestet. Schweinereien gibt es auch. Koschere natürlich. Windbeutelartige Cremebomben. "Gehen nicht durch den Magen sondern direkt auf die Hüften", sagt David. Er hat sie getestet und für gut befunden.

Abends wenn es dunkel ist, stinkt es hinter dem Haus immer nach Skunk. Mal sehen ob wir das herauskriegen. Nach einigen Tagen habe ich, als es dunkel war beobachtet, wie beim Nachbarn die Sensorlampe anging. Ein großes Skunk flitzte die Einfahrt herunter. Es ärgert sich wohl, daß in unserem Haus wieder jemand wohnt. Die Duftmarken sind immer seltener zu riechen. Es tut einem fast leid, die Viecher sehen nett aus, aber halt der Duft ...

Heute hat mir David den Assistenten vom Bibliothekar vorgestellt. Der, der nebenan wohnt im Präsidentenhaus. Nein, der ist kein Viech, aber er hat gesagt, daß unter der Scheune, zwischen uns, ein Grundhog wohnt. Der sei aber groß, so 40 Pfund sagt er. Manchmal kann man ihn im Morgengrauen sehen. Sei aber harmlos, ißt Gras. Scheint etwas Murmeltierartiges zu sein.

Als wir vom Einkaufen zurückgefahren sind, wurde es gerade dunkel. Einige hundert Meter vom Haus weg auf der Hammondstreet watschelte ein Tier über die Straße. Es war doppelt so groß wie ein Biber, aber einen ganz gekrümmten Rücken hatte es und war ganz schön fett. Ein langer sehr buschiger runder Schwanz. Es brauchte etwas länger zum Überqueren, so konnten wir es gut sehen. Buhh, das sieht vielleicht groß aus. Heute Abend ging dann bei uns wieder das Licht vor der Garage an und zweimal das Licht vorm Nachbarhaus. Ich bin sogar hochgelaufen, konnte aber nichts entdecken. Da geh ich nicht gerne im Dunkeln ums Haus.

Die ersten Wochen haben wir einiges eingekauft. Jeweils am nächsten Tag haben wir die Sachen umgetauscht, aber wir haben auch umgeräumt. Das einzige was wir hatten, nämlich die Betten. Wir wollten mal testen wie es sich in den anderen Zimmern schläft. Wenn man die Fenster offen hat, ist es doch ganz schön laut. Aber nur am Morgen, wenn alle zur Arbeit fahren.

Heute haben wir nichts umgetauscht. Aber einen Gartenschlauch gekauft. Was noch? Einen Bohrer, für David eine Schutzbrille wenn er bohrt, Kalklöser für die Badewanne. Eine Flasche hatte ich schon, aber die Leute haben so viel Kalk ansetzen lassen, daß es den morgigen Tag noch dauern wird, bis ich das antike Stück mit den Löwenfüßen sauber habe. Heute haben wir uns wieder an den 13 Fenstern im Sunroom gefreut, die ich gestern geputzt habe und die wir mit Vorhängen verschönert haben. Natürlich einmal umtauschen eingeschlossen. Ich habe mir heute einen Hexenbesen gekauft mit dem ich ums Haus rum kehren kann, oder vielleicht braucht David doch mal das Auto -- dann nehme ich den Besen.

Wir sind noch ein bißchen rumgefahren und haben bei Ames (ähnlich wie Wal-mart) nach 2 Hockerchen für die Küche geschaut. Wir haben keine gefunden, da hat David ein Telefon gekauft. Aber darauf kann man nicht so gut sitzen, dafür klappt die Verständigung damit besser. Und zum Telefonieren kann ich mich sowieso auf die Küchentreppe setzen.

Neulich haben wir einen Ausflug gemacht nach, jetzt hab ich den Namen vergessen, jedenfalls eineinhalb Stunden nach Süden 30 Meilen vor Portland. Wir hatten in der Zeitung gelesen, daß da ein Fest ist, wo sich die Amerikaner schottischen Ursprungs treffen. Sie veranstalten jedes Jahr "Highland Games": Stammweitwurf, Gewicht hochwerfen und ein Gewicht mit einer Heugabel hochwerfen, Hütewettbewerbe für Border Collies und Wettbewerbe gab es auch für Dudelsack-Kapellen und Tanzgruppen mit schottischen Tänzen. Die Sportler und die meisten männlichen Besucher trugen Kilts. Keine neuen Touri-Kilts sondern auch viele etwas ausgeblichene Kilts. Es gab schottische Spezialitäten und schottische Stoffe und Krawatten in den richtigen Clan-Karos. Eine ganze Reihe Stände waren aufgebaut, sicher 30-40, wo die einzelnen Clans ihre Herkunft zeigten und richtige Family reunions stattfanden. Dort konnte man die Wappen und Clanmuster sehen.

Die schottische Gruppe aus Bangor war auch vertreten. Fünf Dudelsackspieler und ein Trommler waren unermüdlich. Ich habe doch eine große Schwäche für diese Musik. Es gab eine Gruppe, die keltische Musik machte: eine Bombarde, eine Geige, zwei große Harfen und eine kleinere keltische Harfe. War schön.

David hat ein Lammsandwich gegessen. Fish und chips gabs auch. Wollt ich aber nicht. Auf dem Heimweg haben wir an einem See eine Pause gemacht und Eis gegessen. Es gibt hier ja so viele Seen. Schwer, keinen zu sehen. Heißen wohl deshalb See(h)en? War ein Witz.

Neulich war der Heizungsmann da. Kater Max hat sich wohl gefürchtet vorm fremden Mann, hat sich ins Klo hinter der Küche verzogen. Da ist ein Wandschrank, der oben unter der Decke ein Fach hat, groß genug, wo ein Maxl alles beobachten kann. Er ist erst am Nachmittag und auch nur mit Trockenfuttertrick wieder runter gekommen.

Mittlerweile war der nächste Heizungsmann da. Nicht daß wir zwei Heizungen hätten oder sie besonders schlecht sei, aber wir wollten zwei Angebote haben. Es gibt die Möglichkeit das Heizöl von einer Firma zu beziehen, und gleichzeitig die Heizung zu versichern, jede Reparatur wird dann von der Firma bezahlt. Dafür ist dann das Öl immer etwas teuerer, aber bei uns rechnet sich das, wie unser Freund Sven sagt. Unsere Heizung ist schon etwas betagt.

Nach acht Wochen endlich orteten wir unsere Möbel in Boston. Es dauerte sicher neun Telefonate lang, bis wenigstens die Ankündigung des Möbelwagens zuverlässig erschien.

Für die Katzen war jeder Karton wie ein Überraschungsei. In einem Karton war das Kratzbrett drin. Da mußten sie sich abwechselnd drauf wälzen. Später kam dann der Katzenkorb, der auf dem alten Schrank stand. Lieschen mußte gleich ein Probeschläfchen drin machen. Als nächstes kam der Flickenteppich raus, der unter dem Fitnessrad lag. Max mußte sich förmlich drin einwickeln. So haben sie auch ihre Freude am Auspacken.

Ich war bei der INS Einwanderungsbehörde. Der Immigrationofficer war sehr nett. Er hat uns alles erklärt. Er hat mir schon mal die Fingerabdrücke abgenommen und uns die noch erforderlichen Papiere gegeben und erklärt. Kein Vergleich mit Frankfurt. Wir waren aber auch die einzigen. Das war das Erfreuliche. Weniger erfreulich ist, daß es 3-5 Monate dauern kann. In dieser Zeit darf ich das Land nicht verlassen, es sei denn, ein Notfall in der Familie würde eintreten. Dann kann ich eine schriftliche Erlaubnis bekommen. Ohne die, dürfte ich nicht wieder in die USA einreisen.

Heute ist uns etwas aufgefallen. Die Nummernschilder hier haben immer unten noch einen Spitznamen für den Staat. Bei uns steht: VACATIONLAND. Heute haben wir wieder ein Auto aus New Hampshire gesehen, dort steht: LIVE FREE OR DIE. Auch eine Lebenseinstellung. Besonders makaber nach den Schießereien vor einem Monat, wo in New Hampshire 3 Polizisten und 2 Zivilisten umgekommen sind.

Es ist nichts Aufregendes passiert über das Wochenende. Mir kann das nur recht sein. Ich habe das dringende Bedürfnis nach etwas Ruhe. Daran merke ich, daß ich doch zu mindest nicht jünger werde.

Heute sind die Eichhörnchen wieder ganz fleißig bei der Arbeit. Aber bestimmt müssen wir da noch eins beerdigen. Die sind wirklich so was von dumm. Ich habe gesehen, wie eines nur mit Glück zwar über die Straße rannte, aber nur zwischen den Rädern unverletzt überlebte. Da hab ich doch fast die Krise gekriegt. Aber ich kann ja nicht ständig auf sie aufpassen. Da stehen halt so viele Eichen mit dicken Früchten an der Straße. Lieschen und Max müssen auf der Porch immer lauern. Wenn die grauen Freunde da so auf dem Zaun entlangsausen.

Davids Arbeit hat seit 2 Wochen begonnen und verlangt alle Aufmerksamkeit. Zeit zum Faulenzen ist überhaupt nicht drin. Die erste Zeit hatten wir keine Möbel und keine Arbeit. Da waren wir aber noch ganz groggy vom Auszug. Wir haben aber Energie genug aufgebracht, ans Meer zu fahren. Es gibt zwar einige Sandstrände, aber meist ist die Küste felsig. Roter Granit. Landschaftlich der Küste Norwegens und der nördlichen Bretagne ähnlich. Der Himmel ist wie blankgeputzt und meist weht ein frischer Wind. Es gibt keinen Smog. Die kleinen Fischerdörfer sind so malerisch, daß man überall gerne herumstrolcht. Die Hummerkörbe und die Bojen sehen aus, als seien sie für die Touristen drapiert. Aber da sind keine Touristen. Die konzentrieren sich auf einige kleinere Städte weiter im Süden. Angeblich. Wir waren noch nicht da um das zu überprüfen.

Die Blaubeerernte ist fast vorbei und das heißt, daß der Herbst schon näher kommt. Aber bei euch ist ja auch gerade der erste Herbststurm über Nordeutschland weggefegt, lese ich in den Nachrichten. Also ist es nicht so viel anders. Heute haben wir die Heizung angeworfen. Es hat am Mittag nur 14 Grad.

Am 4. September hat David seine Antrittsvorlesung gehalten. In der Tageszeitung ist ein großer Artikel über ihn erschienen.

Der Vortrag ist sehr gut angekommen. Die Professoren tragen hier zu den feierlichen Anlässen den Talar der Uni, an der sie promoviert haben. Das sieht sehr schön aus. Es gibt leuchtend rote, schwarze, silberfarbene, und dunkelblaue Roben. Drüber wird in einer Kontrastfarbe eine Art Stola aus Samt getragen. Hat wirklich nichts mit dem "Muff von 1000 Jahren" zu tun, den wir 68 abgeschafft haben wollten.

David hat montags immer Seminar in Portland. Das ist 2 Stunden zu fahren mit dem Auto. David fliegt aber hin, das dauert nur 20 Minuten. Bezahlt wird es vom Seminar. Am kommenden Montag hält er seinen Vortrag nochmal in Portland. Was für David natürlich nicht heißt, daß er nicht Änderungen vornimmt, weil es ein anderes Publikum sein wird. Ich werde mitfahren und wir werden uns einen kleinen Ausflug gönnen. Ich will nicht fliegen.

Die Anreise zum "Antrittsvortrag" am Portland Campus war zeitlich dann doch knapp. Plötzlich auf dem Highway eine Polizeikontrolle. "Hoffentlich geht das schnell, sonst kommen wir zu spät", unkte mein Göttergatte.

"Wo kommen sie her?" höfliche Frage des Officers. "We are coming from Bangor", stellt den imposanten Menschen zufrieden. Ein wenig gruselt es uns freilich immer, denn Vera ist ja nicht mal ein legaler Alien hier in den Staaten. Immer noch warten wir auf die Aufenthaltsgenehmigung. Abends erfahren wir dann aus den Nachrichten, daß die Polizei auf der Suche war nach illegalen Einwanderern. Da schlugen wir im Nachhinein noch drei Kreuze, denn wir hätten schon langwierige Erklärungen abgeben müssen, wenn sie uns rausgefischt hätten. Da wären wir hoffnungslos zu spät gekommen zum Vortrag.

Doch nicht alles sollte ohne Überraschungen ablaufen.

In letzter Minute huschten wir durch den Hintereingang in die Räume des Seminars. David muß sich noch salonfähig umziehen und hat den Bügel mit den Klamotten über dem Arm und verschwindet gleich im stillen Kämmerlein. Etwas blaß um die Nase taucht er gleich wieder auf, in Hemd, Krawatte und Anzugjacke … "Ich habe die Anzughose separat in den Schrank gehängt und nicht mit", raunt er mir zu. Glücklichweise hatte er sich morgens entschlossen statt der Jeans eine Stoffhose anzuziehen, die sich nun farblich nicht auffallend mit dem Anzugstoff beißt. Ein wenig Herzklopfen machte die Episode schon, aber der Qualität des Vortrages tat sie keinen Abbruch. Lachen konnten wir erst später. Dafür öfter.

David ist ganz glücklich mit den Arbeitsbedingungen in Bangor, seinem Büro (2 kleine Räume, 1 großer Raum und ein toller neuer Computer. Netzwerk, online im Internet). Die Kollegen sind aufgeschlossen und können trotz unterschiedlichster Standpunkte miteinander reden. Das ist bemerkenswert. Freitags am späten Nachmittag trifft sich die "Beer Appreciation Society" (kurz: BAS), da gehen Kollegen ein Bier trinken und fachsimpeln, oder auch nicht. Es gibt viele Privatbrauereien hier. Man kann also schon etwas finden, was einem schmeckt.

... Nur den Wein, den man trinken kann haben wir noch nicht gefunden. Wir sind bei der Arbeit. Das einzige was herb ist, sind die Enttäuschungen.


Mainers im Regen.

David und ich standen unter dem Vordach des großen Supermarktes, als unser erster heftiger Sommerregen niederprasselte.

"Ob solch ein Regen ganz üblich ist hier?" sinnierte David.

Ich unterstellte ihm voreilige Verallgemeinerung, fragte dann aber doch nach. "Denk mal an die Leute in Deutschland, wenn sie bei einem solchen Regen vom Haus zu ihrem Auto wollen. Ich sah mich selber, wie ich mit anderen ungeduldig Wartenden, mir irgendeinen improvisierten Schutz über den Kopf haltend, schon häufiger in wildem Galopp versuchte, so schnell es nur geht zum Auto zu kommen.

"Was werden denn die Leute hier anders sein als zu Hause? Sind sie schon richtig regenmäßig ausgerüstet wie die Engländer auf den Karikaturen?"

Keine Rede davon. David zeigte nur auf einige Kunden, die langsam zum Auto marschierten, als gäbe es keinen Regen. Kein Schirm, keine Kapuze. Sie ignorierten den Regen einfach.

"Das kann ja Zufall sein."

Mich überzeugte auch nicht, daß David dieses Verhalten schon früher beobachtet hat.

"Das waren ausschließlich Männer. Vielleicht demonstrieren die den harten Naturburschen!" versuchte ich noch Zweifel anzumelden.

Eine junge Frau, Typ Hausfrau und Mutter, kam aus dem Laden und schnaufte entrüstet, als sie den Platzregen sah. Sie blieb kurz stehen und atmete tief ein. Das kenne ich von mir. Erst noch mal tief Luft holen und dann lospesen, damit man nicht allzuviel abbekommt. Also die Frau rafft sich auf ... und geht langsam, als wäre nichts, quer über den riesigen Parkplatz zu ihrem Auto. Was sagt uns diese Geschichte? Hat David recht mit seiner Vermutung, daß der Regen so normal ist für die Leute, daß sie ihn gar nicht mehr bemerken? Oder haben die Leute derart die Ruhe weg, daß sie so ein bißchen Wolkenbruch auch nicht aufregt?


"Leafpeeping"

Am 5. Oktober, (Simons Geburtstag) sind wir nach Bar Harbour gefahren. Eine zwar tourismusmäßige, aber sehr nette, kleine Stadt. Viele Geschäftchen. Viele Kneipen. Das hat uns gefallen. Aber prompt sind wir an einem Bus voller Bayern vorbeigelaufen. (Die Bayern waren nicht voll, nur der Bus.) Ich bin in solchen Situationen immer ganz still, aber ich bin ja gar kein Tourist. Vergeß ich manchmal ganz. Die Fahrt dahin war ganz besonders schön. Die Bäume sind jetzt voll verfärbt. Es ist schon ganz anders als man es in Deutschland sehen kann. Es gibt alles von leuchtendem Gelb über Knallorange bis zu intensivstem Dunkelrot. Oft haben die Blätter mehrere intensive Farben. Es scheint als habe man den Baum kopfüber erst in gelbe Farbe gestippt und dann noch schnell einen Rest rot aufgewischt. Es wäre eine schöne Geschichte für Kinder. "Wie der Liebe Gott die Bäume in Maine so bunt gemacht hat."

Auf der Heimfahrt war es neblig. Dicke Nebelschwaden hingen auf den Kuppen der Hügel. Es war sehr stimmungsvoll. David konnte sich die Berge nach Lichtenberger Format zurecht träumen. Gegen Abend lichtete sich die Bewölkung und der Himmel klarte auf. Auf den Wiesen und Buchten lagen aber watteweiße Nebellaken. Die Baumkronen schienen darauf zu schweben. Man hätte die Staße fast im Schrittempo langfahren mögen, so beeindruckend waren die Ausblicke. Verstehen kann man schon, daß es Bustouren gibt zum "Leafpeeping", aber schöner ist es doch alleine zu "peepen".


Herbstgäste

Bei uns in Bangor werden die Eichhörnchen immer dicker, unter den Autoreifen zerknacken die reifen Eicheln. Die Roßkastanien fallen jetzt auch schon. Nur Nußbäume habe ich noch keine gefunden, wohl aber mal eine schwarze Walnuß, die natürlich nicht schwarz ist, sondern braun wie andere auch, aber die Schale hat sehr viel tiefere Kerben als eine Walnuß, wie ich sie kenne. Vielleicht sollte ich mal bei den Eichhörnchen nachfragen, wo es die gibt. Im Nachbarhaus wohnt eines. Es hat mich neulich beobachtet wie ich grad telefoniert habe in der Küche. Es hat sich am Ende des Daches ein Loch genagt, da schaut es manchmal spazieren. Es sieht zu putzig aus, aber wir wollen nicht an sie vermieten, weil sie eine Plage im Haus werden, wie Davids Mutter schon eine erdulden mußte. Es ist sicher paradiesisch für die Eichhörnchen, aber hier sieht man die übermäßig reiche Ernte als Warnzeichen. Wenn keine Änderung der Lebensbedingungen eintritt, befürchtet man das Sterben der Eichen. Aber wie es scheint, weiß niemand genau welche Zusammenhänge ursächlich sind. Die Papermills haben in der Vergangenheit viel Unheil angerichtet. Aber es wird jetzt viel getan um die Umweltschäden zu beheben.


Seltsame Geräusche

Manchmal muß ich auch in unserem Haus in der neuen Welt ein stilles Örtchen aufsuchen. Es ist ja alles anders in Amerika und so auch die Erlebnisse dort. Ich sitze nun erwartungsvoll da, da höre ich seltsame Geräusche. Ein Rumpeln, ein Gluckern, ein leises Zischen. Ganz normal werdet ihr sagen, aber ich schwöre ich war das nicht. Was um alles in der Welt macht diese Verdauungsgeräusche? Ich bin doch ganz allein im Haus! Ein plötzliches energisches Zischen und ein heißes Lüftchen weht an meinem Oberschenkel entlang. Ich will schon, nicht ganz vorschriftsmäßig angezogen, den grusligen Ort überstürzt verlassen, da die überraschende Erkenntnis: die Heizung ist angesprungen. Wie, auf dem Klo? Nicht doch. Im Keller natürlich, aber es ist eine Dampfheizung, d.h. es fließt kein Wasser durch die Heizkörper sondern Wasserdampf und das Überdruckventil ist in der unteren Toilette neben der Schüssel. Na, das weiß ich jetzt.


Camp am See (Ferienhaus)

Eine Kollegin von David hat uns erzählt, daß sie wie viele Mainers auch ein Cottage hat. Sie hat uns angeboten, es auch zu nutzen. Also haben wir uns erst mal zum Angucken einladen lassen. Es liegt zwei Autostunden nördlich von hier, nahe der kanadischen Grenze an einem See. Klingt gut, nicht?

Die Fahrt durch die bunten Wälder aus Zuckerahorn, Kiefern, Blaufichten, Eichen und noch einigen anderen Baumarten, die ich noch nicht identifiziert habe, war atemberaubend schön. Die Orte, die wir auf unserer Landkarte eingezeichnet fanden, entpuppten sich als malerische Ministädtchen um einen Supermarkt und eine "Townhall", wohl die Gemeindeverwaltung.

Wir mußten uns anstrengen um ein kleines Restaurant für unser Lunch zu entdecken. Wir haben eins gefunden. Die letzte Möglichkeit bevor wir ganz in die Wälder eintauchten. Während wir da saßen und Hühnchen mit Kartoffelmatsch (mashed potatoes) genossen, da ist uns bewußt geworden, was die Amis mal wieder so anders machen als wir. Sie unterhalten sich ganz normal laut, als wäre niemand sonst da. Es stört niemanden, wenn man alles mithören kann. Das würden wir doch niemals tun! Die Gästeklos sind auch immer eine interessante Erfahrung. Neben der Kasse am Ein- oder Ausgang, wie man es nimmt, ist eine ganz normale Toilette, deren Tür offensteht. Selbstverständlich kann man sie von innen zumachen, aber nur mit einem Häkchen. Unten ist ein breiter Spalt über dem Fußboden frei. Wenn jemand zahlt, kann jeder mithören. Aber das stört auch wieder keinen. Also gut.

Wir kurven weiter unseren Weg. He, was war das? Da stehen an der Straße neben einem völlig verfallenen Haus zwei verrostete Zapfsäulen. So 20-er Jahre würde ich denken. Natürlich sind wir schon eine Meile weg, bis mir einfällt, daß ich es hätte fotografieren wollen. Ist ja nicht das erste Mal, daß mir das passiert.

Weiter gehts. Die letzte Dreiviertelstunde ist uns zweimal ein Auto entgegengekommen. Hinter uns ist keins zu sehen. Nein, vor uns auch nicht. Oh je. Wie gut, daß David noch getankt hat. Mittlerweile zockeln wir auf wenigstens noch asphaltierten Wegen, klabaster, klabaster in den Wald hinein. Aber nicht lange. David hält angestrengt Ausschau nach den eindrucksvollen Schlaglöchern und versucht sie zu vermeiden.

"Das ist ja wie in Afrika!" freut sich David. Wäre unsere Wegbeschreibung nicht so detailliert, wir hätten längst aufgegeben. Da, ein Schildchen am Baum. Wir haben es geschafft. Unter riesigen Nadelbäumen ist das kleine Haus zu sehen. Es hat diese A-Form, wie man sie hier öfters sieht. Zwanzig Meter weg ist ein noch kleineres Häuschen, das "Outhouse", das Häusl. Ein paar Schritte weiter ist das Ufer des über 40 km langen Stausees. Aber die Bäume stehen bis zum Wasser. Es ist ein schöner Blick auf die Farben des Herbstwaldes am anderen Ufer.

Mir ist das alles ein bißchen zu viel Wald. Wetten da kommt der Bär nachts? Im Häuschen ist es ein bißchen wie Camping. So mögen es die Leute. Aber wenn es Schnee hat und man muß nachts aufs Klo? Dann haben sie einen "Potty", sagt Susan. Als es dämmrig wird machen wir uns auf den Heimweg. Nancy warnt uns vor unvermutet auftauchenden "Moose" (Elchen).

Kaum im Auto sitzend, fang ich an mein Knie zu kratzen. Mich hat was gestochen. Schon wieder. Spinn ich, jetzt juckt es in der Kniekehle. Jetzt da! (Es waren tatsächlich 5 Stiche, wie sich gezeigt hat.)

Ich bin ja kein Waldmensch, aber auch David war der Überzeugung, daß wir kein Cottage an diesem See haben müssen. (Da gehen wir doch lieber in ein Motel am Meer.)

Ein wunderbarer Sonnenuntergang machte die Heimfahrt ganz romantisch. Ist ja fast Verschwendung, wo doch eh kaum einer da ist, der sich das anschaut. Aber wir haben es genossen.

Ganz alleine.


Phantomtheater

Ja, wir sind in San Francisco. Gestern morgen sind wir um 8:20 Uhr von Bangor nach Portland geflogen, dann weiter, ohne Aussteigen nach Cincinnati, dort um 12:55 Uhr in ein ganz großes Flugzeug nach San Francisco. Nach 4 Stunden Flug waren wir dann da. Insgesamt waren wir dann nach 10 Stunden hier. Da wär man auch in Deutschland. Sogar schon in Mannem, wenn man darf. Na ja.

Wir sind dann mit dem Taxi in die Stadt gefahren. 30 $, billiger wirds nur um 10$ wenn man auf ein Sammeltaxi wartet. Haben wir nicht gemacht.

Es ist warm, so 20 Grad. Ich im Wintermantel, bei uns in Bangor liegt ja schon der erste Schnee. Und riesige Palmen. Zum ersten Mal sehe ich so große Palmen.

Seit August hab ich nicht mehr so viele Autos gesehen. Eine 8-spurige Autobahn führt in die Stadt. Wir wohnen in einem etwas traditionellen Hotel, mit einer unglaublich großen Jugendstillampe im Treppenhaus unten. Da man hier drei Zeitzonen weg ist von Bangor, hatten wir einen 3 Stunden längeren Tag. Wir haben einen Spaziergang gemacht und einen Eindruck von unserer Umgebung gewonnen. Sehr schöne Häuser, auch mit 50 Stockwerken zum Teil, aber so bunt gemischt mit kleineren ungewöhnlichen Gebäuden, daß es ganz anders wirkt als New York. Es gibt viele kleinere Geschäfte und alle Nationalitäten sind vertreten. Die Atmosphäre ist freundlich, sehr laut und nicht diese Spannung und Aggressivität wie in New York. Es hat uns gut gefallen.

Direkt hinter unserem Block geht die Cable-Car-Bahn. Da wollen wir natürlich mitfahren. Ein paar Schritte von hier ist der Union Square. Ein Platz mit Sitzbänken und riesigen Palmen, in denen in der Dämmerung ein unglaubliches Gezwitscher von irgendwelchen gefiederten Geschöpfen war.

In einem kleinen Restaurant, King David, entdeckten wir koscheres Essen. Ich Felafel (mit Tomaten und Gurkenwürfeln und kleinen fritierten Erbsenklößen gefülltes Brot, dazu Kichererbsenpürree), David einen Lammspieß.

Schräg gegenüber von unserem Hotel haben wir ein Theater entdeckt. Es war schon dunkel um halb sechs, und weil David doch so eine Schwäche für Musicals hat, war der Entschluß ein Stück anzuschauen schnell gefaßt. The Phantom of the Opera.

Aber so einfach war das mit dem Anschauen dann doch nicht. Wir sind nach einer kleinen Rast im Hotel, pünktlich viertel vor acht im Theater angekommen. Die Frau am Eingang hat die Karten abgerissen und uns den Weg gezeigt. Auf dem Balkon angekommen, zeigten wir die Karten dem Platzanweiser und er deutete auf zwei Plätze. Also gut.

Etwas verwundert beguckten wir das Bühnenbild. Ein verlotterter Balkon im Sil von New Orleans. Eigenartig.

Wir schlugen das Programmheft auf und lasen was von Tennesee Williams.

Aha. Das passte ja zum Bühnenbild. Auch interessant. Aber auf unserer Karte stand das Phantom. Was soll das?

Ich entdeckte, daß die Karten der anderen Leute ein wenig anders aussehen. Es war mittlerweile schon drei Minuten vor Acht, da fragten wir dann. Aha, im falschen Theater, unsere Plätze werden auch gebraucht. Mist. Wir hätten uns ja auch Tennesee Williams angeschaut. Also raus aus dem Theater und siehe da, die nächste Eingangstür erkannten wir wieder, als die, wo wir die Karten gekauft hatten. Alles sah völlig identisch aus. Peinlich. Im Galopp hoch zu unserem Balkon, der war so steil, daß die Stufen ungewöhnlich eng sind.

Fast hätte ich das Gleichgewicht verloren. Man hat die Befürchtung gleich ins Erdgeschoß abzustürzen nicht ganz unberechtigt. Mir fingen nach einiger Zeit die Knie an zu schmerzen, weil ich das nicht gut vertrage, so nah am Abgrund. Aber dann ging auch gleich das Stück los.

Ich kann´s nicht beschreiben. Eine opulente Orgie aus Farben, Licht, Nebel, Musik brach über uns herein. Ein riesiger Leuchter, der durch den Raum flog, Blitze und ohrenbetäubender Knall, Illusionen durch ein überwältigendes Bühnenbild. In fließendem Übergang verändert sich das Bühnenbild durch Lichteffekte oder Nebelschwaden. Eben noch eine Theaterbühne, im nächsten Augenblick ein unheimlicher See, auf dem ein Boot treibt. Dabei gibt es nicht einmal ein Drehbühne. Ich war fix und fertig. Dabei mag ich die Musik von dem Webber gar nicht so. Immer ähnlich, man hat den Eindruck, die singen immer wieder das Gleiche. Aber diese Kostüme, die Beleuchtung, eine Meisterleistung.

Wenn da nur nicht immer der Ausblick in den gähnenden Abgrund des Zuschauerraumes gewesen wäre.

In der Pause wollten wir zur offenstehenden Tür mit der Aufschrift EXIT rausgehen. Entsetzt machte ich für Davids Zehen einen zu schnellen Schritt rückwärts. Man stand da auf einer dieser Plattformen, die die eisernen Feuerleitern verbindet.

Und das so im 4. Stock. Meine Knie näherten sich doch bedrohlich dem Puddingstadium. Es gab dann doch einen ganz baulich tradidionellen Bereich, wo ich doch den von David angebotenen Sekt aus Knie- und gleichgewichtstechnischen Gründen ablehnen mußte. Knalleffekte und fliegende Leuchter ließen keine Müdigkeit aufkommen, aber es war dann nach unserem Tagesablauf schon 2 Uhr, da hatten wir dann doch nur noch das Hotelbett im Sinn.


Tiffany und Chinatown

Nach dem Frühstück waren wir uns nur einig, daß wir mit den Cable Cars fahren wollen.

Erst mal sind wir bei Armani, Bulgari, Versace vorbeigegangen und haben natürlich nur reingeschaut.

Gestern war ich zum ersten Mal bei Tiffany. Es waren nur wenig Leute drin. Wir haben uns die Diamanten gut angesehen. Schöne Sachen gibt es da. Was ich nicht wußte, sie haben auch eine ganze Abteilung für Silberschmuck. Vielleicht schau ich nochmal rein. Im 2. Stock gibt es Geschirr und Besteck. Man kann tatsächlich seine Weihnachtskarten bei Tiffany kaufen. Eine Schachtel, vermutlich 10 Stück kosten 80$. Mir haben sie nicht mal gefallen. Meine sind schöner. Aber so ein Schmuckstück von Tiffany wär schon was. Es ist aber wohl mehr der Mythos, der mich reizt, obwohl ich ja sonst nicht auf Marken abfahre. Wir haben uns dann entschieden zum Hafen runterzulaufen und uns den anzusehen. Ich dachte schon: Was soll es im Hafen zu sehen geben? Ist das nicht etwas unsicher? Ganz im Gegenteil. Sehr angenehm, schöner Gemüsemarkt, eine Katameran-Fähre legte an, schöne Espresso-Café´s, eine Frau massiert den Rücken wenn man bezahlt. Es gibt noch ein Stück weiter einen Fischmarkt.

Wir sind dann zur Haltestelle der Kabelbahn gegangen und haben 2$ für eine einfache Fahrt bezahlt. Ich dachte immer, da gäbe es nur eine einzige Strecke, irgendwo den Berg rauf. Weit gefehlt. Es gibt mehrere Strecken, und es gibt auch mehrere Hügel in San Francisco. Twin Peaks zum Beispiel ist der zweithöchste Hügel in der Stadt. Wir sind auf den Nob Hill gefahren, das ist nicht sehr weit. Da sahen wir auf der einen Straßenseite Chinatown. Ich las, es leben dort ungefähr 80000 Chinesen. Wir sind ausgestiegen und zu Fuß durch die Straßen gegangen. Es war eine andere Welt. Ich mußte in jedes Schaufenster sehen. Da hingen die Pekingenten und andere undefinierbare Fleischstücke und allerlei unbekannte chinesische Leckerbissen waren ausgebreitet. Fernöstliche Gewürze machten die Illusion pefekt.

Wie bisher nur im Fernsehen gesehen, konnte man Männer beobachten, wie sie Medizin zusammenstellten. Pilze, Wurzeln, Rindenstücke und viele mir unbekannte Substanzen wurden aus kleinen Holzschubladen genommen, mit einer Handwaage abgewogen und auf ein kleines weißes quadratisches Papier geschüttet. Ich mußte mich von jedem Laden losreißen.

Einige Kräuterläden später fiel mir ein, daß ich ein Stückchen Medizinpflaster in der Tasche habe, das Mathias Bethäuser mir geschenkt hat, nachdem er in Vietnam war. Hergestellt war es aber in Japan, hab ich auf der Folienpackung entdeckt, die ich aber nicht mehr habe. Ich war ganz begeistert gewesen von der angenehmen Wirkung bei Muskelschmerzen im Rücken. Leider konnte der Apotheker nichts ähnliches in Deutschland beschaffen und so trage ich den letzten Rest in meiner Handtasche seither mit mir rum. Ich ging rein in den Laden und ich versuchte zu erklären was ich will. Wir hatten Verständigungsschwierigkeiten, da nur einer zwar englisch, aber schlecht sprach. Ich packte das Fitzelchen Pflaster aus und zeigte es. Einer beroch es und sagte sowas wie, daß er das hat. Ein zweiter beroch das Pflaster und sagte, daß es nicht das chinesische Pflaster ist sondern aus Japan. Sie haben uns 2 Schachteln gezeigt und die japanische Verpackung hab ich wiedererkannt. So muß das sein, einmal beschnuppert und schon identifiziert. Ich hab dann beides mitgenommen. Das war aufregend. Gekostet hat es keine 10 DM.

In so viele Lädchen mußte ich reingehen. Ich habe mir eine Tischdecke gekauft. Soooooo schön. Weiß mit Spitze. Dazu Servietten. Ich glaube fast, ich muß nochmal hin. Tee kaufen und eine Teekanne. Ich hatte mal so eine, früher, die kostete damals im Chinaladen, in Mannheim, mehr als 90DM. Die gleiche kostet hier 9$.

Es hat mir so gut gefallen. Fast kein weißes Gesicht auf der Straße, schon gar nicht in den Kräuterlädchen, den Restaurants, den Lebensmittelläden oder in den ganz fernöstlich anmutenden Seitensträßchen.

Jetzt muß ich mich erst mal ausruhen. So viele Bilder im Kopf. Aber gleich kann ich nicht abschalten. Ich betrachte im Bett nochmal meine Schätze, die ich erworben habe und inspiziere das chinesische Pflaster. Ich schaue nochmal im Geldbeutel nach den Kassenzetteln. Ich schnuppere dann an meinem Geldbeutel. Tatsächlich, kein Irrtum, das Geld riecht nach chinesischen Gewürzen.

So ein schöner Tag.


Kabelbahn

Immer wenn wir bestimmte Straßen überqueren, dann hören wir eigenartige Geräusche. Ein klapperndes, metallisches Scharren. Erst mal war zu erkennen, daß das Geräusch aus der Straße kam. Was kann das sein?

Kommt es aus der Kanalisation? Aus den Öffnungen der Kanaldeckel kommt eh schon so ein unheimlicher Dampf. Wie in manchen Filmen zu sehen.

Manchmal klang es, als ließe man ein gespanntes Seil schnellen. Seil - Kabel- Ha, das war die Erklärung. Klar, wenn es eine Kabelbahn gibt, dann gibt es naturgemäß auch ein Kabel. Dieses Kabel entdeckte ich dann zwischen den Schienen in einer schmalen metallenen Führungsleiste. Es bewegt sich je nach Fahrtgeschwindigkeit langsamer oder schneller. Rätsel gelöst. Es ist gut, daß im Moment Stöckelschuhe nicht in Mode sind, ich stelle es mir ganz schön gefährlich vor, wenn man da aus Versehen reingerät.

Das Klingeln der Bahn ist wie die alten Trambahnen früher. Manchmal wundert man sich allerdings, daß es klingelt, aber keine Schienen zu sehen sind. Ganz einfach. Einige Strecken werden mit genau den gleichen Wägelchen befahren, aber sie haben Reifen wie kleine Busse.


Einkaufen

Ich bin zum berühmten Kaufhaus Macy´s gegangen und hab mir das mal angesehen. Es ist nicht nur ein Gebäude, sondern ein ganzer Block. Man gelangt innen von einem Gebäude zum andern. Es war schon interessant.

Allein die Kosmetikabteilung ist schon so groß wie das gesamte Erdgeschoß eines großen Kaufhauses in Deutschland. Die gigantischen Duftwolken wollte ich mir nicht lange antun.

Ich schaute nach den Kleidern. Viele bekannte Modenamen sind da zu finden. Aber die Qualität hat mich nicht zufriedengestellt. Auch wenn es sich nicht um die bekannten Namen handelt, sind die Sachen unangemessen teuer. Ich hab mir nichts gekauft, wäre aber durchaus bereit ewesen, wenn alles gestimmt hätte. Allerdings bin ich bei den Taschen doch in Versuchung gekommen. Ich habe noch nie eine so große Auswahl an Markentaschen der feinsten Art gesehen. Es gab für jeden Geschmack sicher das richtige. Aber da habe ich dann doch verzichtet.

Etwas war lustig. Im zweiten Stock fand ich nur Kleider in kleinen "Ingrid"größen. Ich fragte, wo ich denn die etwas "bigger sizes" finden kann. Ich wurde in den siebten Stock geschickt. Auffallend war, je größer die Größen werden, umso enger werden die Rolltreppen.

Was will uns das sagen?

Es hat mir dann bald gereicht mit dem Anschauen. Da hab ich aber den Ausgang nicht mehr gefunden. Ich habe mich einfach verlaufen, aber wenn man aus dem Gebäude rauskommt, läßt sich ja dann feststellen wo man hingeraten ist.

Ganz in der Nähe kann man ein riesiges Geschäft sehen, das alles verkauft, was es gibt von Walt Disney. Das heißt, alles was irgendwelches Dekor aus Comics oder Filmen hat, ist dort zu finden: Geschirr, Stofftiere, Karten, Briefpapier und noch viel mehr.


Stadtrundfahrt

Heute hat David nach unserem gemeinsamen Frühstück mit Rolf Rendtorff (früher Theologie Prof. in HD) alle Veranstaltungen sausen lassen.

Wir haben uns zu einer Stadtrundfahrt mit einem Trolly (wie Cable Car, nur auf Rädern) entschlossen. Das hat Spaß gemacht. Man sitzt auf Holzbänken und hat eine perfekte Aussicht. Es sind nur etwa 10 Leute und der Fahrer erzählt, was man zum Teil im Führer schon gelesen hat. Unserer steuerte aber auch noch seinen Humor und einige Anekdoten bei. Das haben wir natürlich auch angemessen honoriert.

Die Stadt hat 800 000 Einwohner. Wenn man sich Leute und Autos anschaut, ist ganz deutlich, daß Calfornien der reichste Staat der USA ist. Man sieht auffallend viele BMW und Mercedes. Auch die neuesten Modelle. VW-Käfer kann man hier noch häufig sehen. Wahrscheinlich, weil die doch eine Zeit lang in Mexiko gebaut wurden.

Den Anfang der Tour kannten wir schon von unseren Erkundungen. In Chinatown lernten wir dann aber noch wissenswertes über Häuser und Straßenbeleuchtung, die noch original sind.

Die Tour ging bergauf, bergab und wieder lernten wir was. Die Stadt hat 43 Hügel. Sie ist nur 7x7 Meilen groß. Ein Teil ist auf der aufgeschütteten Bucht gebaut. Dieser Teil ist 1989 bei den großen Erdbeben auch am stärksten beschädigt worden. Weil der Untergrund so weich ist, hat unser Führer erklärt. Es ist das italienische Viertel. Man soll dort nicht alleine nachts spazierengehen. Hatten wir ohnehin nicht vor. Wir sahen den Palace of fine Arts, ein kolossaler Jugendstilbau. Ich glaube er wurde nach dem Erdbeben 1906 wieder aufgebaut zum Teil. Riesige Säulen und ein malerischer See davor.

Vor einigen Tagen, als wir am Hafen waren, da hatten wir schon gelesen, daß ein Stück weiter nicht nur einige Läden, sondern auch der Fischmarkt sein soll. Heute haben wir beides geboten bekommen. Der Anziehungspunkt für Touristen ist eine gigantische Ansammlung von Giftshops. Da haben wir gleich einen Umweg gemacht. Wir gingen am Wasser entlang und beguckten die unendliche Menge an privaten Segelbooten, die da vor Anker liegt. Da hörten wir dann auch die zweite Attraktion: Seelöwen. Am Ufer schwimmen große hölzerne Plattformen, wo sich die Seelöwen in der Sonne aalen. (Nicht Aale in der Sonne löwen!) Sie sind nicht gefangen, sie können jederzeit in die Bucht rausschwimmen. Das ist dann ganz nett.

Wieder in unserem Trolly nähern wir uns der Golden Gate Bridge. Auf dem Weg dahin kann man die Insel Alcatraz sehen und hört, daß Al Capone dort gesessen hat. Heute ist dort aber kein Gefängnis mehr, sondern ein Museum.

Jetzt wissen wir auch was die Golden Gate Bridge von anderen Brücken unterscheidet. Ich glaube, ich hab das schon mal gehört. Sie schwingt frei. Wir konnten ein kleines Stück darauf gehen und es ist wahr! Sie schwingt wirklich! Ich bin froh, daß ich das nicht gespürt habe, als wir neulich mit dem Auto drübergefahren sind.

Wo früher Militärssiedlungen waren, sind heute Parks.

Ich bin von einer Begeisterung in die andere geraten, was es an Pflanzen wieder zu sehen gab. Im deutschen Blumengeschäft kann man für viel Geld kleine exotische Zweige kaufen. Hier wachsen gleich ganze Wälder von Eukalyptusbäumen und anderen wunderbaren Pflanzen. Die Farben so intensiv und üppiges Grün. Ein Genuß.

Die Prospekte von San Francisco zeigen immer auch viktorianische Häuser in malerischen Straßen und liebevoll gestalteten Vorgärten. Es gibt nicht nur wenige davon. Unglaublich. Alte bleiverglaste Buntfenster und verschnörkelte Fassaden, in den Vorgärten große Bougainvilleabüsche in voller Blüte. Man kann sich gut vorstellen da zu leben. Die Gesichter ändern sich, eine Pagode ziert den Platz neben dem Sushi-Restaurant. Wir sind in Japantown. Es ist ein viel kleinerer Stadtteil als Chinatown.

Schon wieder so viele Bilder zum Erinnern.

Fortsetzung...